Wie misst man Stress?
Wie aber können wir krank machenden Stress objektiv bestimmen? Also weniger nach unserer persönlichen Wahrnehmung beurteilen, als vielmehr mit wissenschaftlichen Verfahren messen?
Wir haben bereits erfahren, dass das Stresshormon Cortisol im Speichel gemessen werden kann. Diese Methode wird vorwiegend in wissenschaftlichen Studien eingesetzt. In hausärztlichen Praxen steht dieses Messverfahren leider nicht zur Verfügung.
Unveränderter Puls beim Atmen zeigt Stress an
Eine weitere Methode misst die Belastung von Stress auf das Herz. Bei der sogenannten Herzratenvariabilität (HRV) messen wir die atemabhängigen Schwankungen des Pulses mit einem EKG (Elektrokardiogramm). Das funktioniert so: Beim Einatmen steigt der Puls an, beim Ausatmen geht er wieder runter. Das ist ganz normal. Je größer die Schwankungsbreite zwischen hoher und niedriger Pulsfrequenz ist, umso gesünder und vitaler ist unser Herz.
Im Bild sehen Sie die typische Veränderung der Herzfrequenz beim tiefen Ein- und Ausatmen bei einem gesunden Menschen mit starkem Vagus und im Vergleich dazu bei einem Menschen, der unter chronischem Stress leidet. Bei beiden wurde die Herzfrequenz über eine Minute gemessen. Der Abfall der Herzfrequenz, der deutlich zu sehen ist beim gesunden Menschen, während er ausatmet, wird allein durch den Vagus gesteuert und zeigt damit eine gute Vagusfunktion an. Hingegen hat der Mensch mit chronischem Stress keine Absenkung der Herzfrequenz mit der Ausatmung. Sein Vagus ist also schwach.
Bei einem trainierten Menschen beträgt der Puls in Ruhe zum Beispiel um die 65 Schläge pro Minute beim Einatmen und sinkt auf ungefähr 40 Schläge pro Minute beim Ausatmen.
Ein Mensch mit Anzeichen von chronischem Stress hingegen hat durchgehend eine Herzfrequenz zum Beispiel von 70 bis 80 Schlägen pro Minute, fast völlig unabhängig vom Ein- oder Ausatmen.
Das Auf und Ab des Pulses mit der Atmung wird über das vegetative Nervensystem gesteuert. Dafür, dass der Puls langsamer wird, ist ausschließlich der Vagus verantwortlich. Besonders interessant für die Beurteilung von Vagusaktivität und Stresslevel ist daher der niedrige Pulswert, wenn wir tief ausatmen.
Messungen der Herzratenvariabilität werden in Deutschland vor allem in spezialisierten Praxen und Kliniken gemacht.
Auf der nächsten Seite haben wir einen Test für Sie, mit dem Sie alternativ zu einer apparativen Messung Ihr Stresslevel anhand von bestimmten Warnsignalen ermitteln können.