Die zwei Wege der Stressreaktion
Unser Körper reagiert also auf eine beängstigende oder unerwartete Situation mit einer evolutionär bedingten schnellen Reaktion unseres vegetativen Nervensystems. Es wird auch „autonomes Nervensystem“ genannt, weil wir es mit unserem Willen nicht beeinflussen können. Ohne dass wir uns dessen bewusst sind, steuert es eigenständig lebensnotwendige Körperfunktionen wie Atmung, Kreislauf und Blutdruck, auch in einer Stresssituation. Noch bevor wir diese bewusst erfassen, geschweige denn eine rationale Entscheidung treffen können, stellt es bereits sicher, dass alle Körperfunktionen auf Kampf oder Flucht ausgerichtet sind.
Sehr schnelle Reaktionen mit dem Sympathikus
Der Teil des vegetativen Nervensystems, der uns dermaßen in Alarmbereitschaft versetzt, ist der „Sympathikus“ – auch „Stressnerv“ genannt. Dieser ist im übertragenen Sinne das Gaspedal für unser Herz-Kreislauf-System. Er vermittelt die Information „Gefahr“ über schnelle Nervenfasern an Herz und Gefäße. Damit steigert er direkt und sofort Puls und Blutdruck. Der Nebenniere signalisiert er, das Stresshormon Adrenalin auszuschütten. Dieses verstärkt die Alarmbereitschaft, indem es ebenfalls Herzschlag und Blutdruck steigert und die Bronchien weitet. An die Leber ergeht ein Nervenbefehl, mehr Zucker ins Blut frei zu setzen. Gleichzeitig wird das Verdauungssystem schwächer durchblutet und das Blut in Muskeln und Herz umgeleitet. Mit diesem zusätzlichen Sauerstoff und mit schnell verfügbarer Energie aus dem Blutzucker ist der Körper zu größten Kraftanstrengungen bereit.
Der langsamere Weg über hormonelle Botenstoffe
Die Botschaft „Gefahr“ bewirkt in den Stresszentren des Gehirns – Mandelkern, Hypothalamus, Hypophyse – auch, dass hormonelle Botenstoffe ausgeschüttet werden, die dann – etwas langsamer als es über die Nerven geschieht – über die Blutbahn zu den Nebennieren gelangen. Diese schütten daraufhin Cortisol aus, das für eine Bereitstellung von Energie sorgt, indem es zum Beispiel ebenfalls den Blutzuckerspiegel erhöht.
Es ist möglich, in einer Speichelprobe die Konzentration an Cortisol und damit das Stresslevel zu messen (mehr dazu erfahren wir im nächsten Kapitel).
Unser Körper wird durch diese starken hormonellen und vegetativen Reaktionen vorbereitet, schnell und adäquat auf eine Gefahr reagieren zu können, also entweder zu zu kämpfen („fight“) oder zu flüchten („flight“).
Ebenso wie diese Weiterleitung der Signale vollkommen automatisch abläuft, können wir auch unsere körperliche Reaktion auf übermäßigen Stress nicht einfach per Willensentscheid bremsen. Sie werden aber später sehen, dass Sie mit bestimmten Übungen auch autonom gesteuerte Körperfunktionen wie den Blutdruck beeinflussen können.